Warum eine Baumschutzsatzung?
Stadtbäume sind ein hohes Gut.
Doch leider werden Sie allenfalls in der Immobilienbranche als solches konkret bewertet.
In vielen Städten Deutschlands, gerade auch in kleineren Kommunen, ist die Relevanz von Bäumen noch immer ein Thema, das gelinde gesagt, in der Wachstumsphase ist.
Als Sachverständige die tagtäglich mit den Auswirkungen von fehlenden Vorgaben konfrontiert wird, möchte ich mit diesem Artikel somit den Einstieg in die Wichtigkeit von Baumschutzsatzungen ermöglichen. So ist jedem Bürger und jeder Bürgerin ein Instrument zum Handeln an die Hand geben, denn:
Stadtbäume haben keine Lobby
Das sollte sich dringend ändern!
Grünflächen und die ausgehende positive Wirkung von Bäumen innerorts lassen sich nicht vollständig und direkt erfassen. Es bedarf einem erheblichen wissenschaftlichen Aufwand, um ihre Wirkung argumentativ greifbar zu machen und in Fakten zu pressen.
Diesen Spagat werde ich versuchen zu machen mit diesem Artikel.
Braucht es mehr Vorgaben?
Ob Bäume gefällt oder erhalten werden, liegt in der Regel im Ermessen des Eigentümers.
Allenfalls beim Fällzeitpunkt bekommt er hier vom Bundesnaturschutzgesetz (§39 BNatSchG) ganzjährig Vorgaben gemacht, um im Baum befindliche Lebensstätten nicht zu gefährden. Doch bekannt ist meist nur die Pause der Brut- und Setzzeit, vom 1. März – 30. September, in der Fällungen außer aus Verkehrssicherheitsgründen nicht stattfinden dürfen in weiten Teilen der Landschaft.
Im Zuge des Klimawandels und den steigenden Herausforderungen denen sich Stadtbäume gegenübersehen, muss sowohl für Privateigentümer von Bäumen, als auch (in besonderem Maße) für öffentliche Eigentümer (Stadt, Kommune) die Frage gestellt werden, reicht eine Eigenverantwortung des Eigentümers aus, um über sein Grün zu entscheiden oder sollten ihm rechtlich bindende Vorgaben an die Hand gegeben werden, um Stadtgrün für die Allgemeinheit zu schützen?
Als Sachverständige für Stadtbäume mit den empirischen Erfahrungen aus meiner über 10-jährigen Tätigkeit in diesem Bereich, muss ich diese Frage leider eindeutig beantworten:
Es müssen dringend qualitativ hochwertige Baumschutzsatzungen erarbeitet werden. Wie so oft ist es mit der Eigenverantwortlichkeit nicht zu regeln. Das würde ich mir für die Stadtbäume wünschen, das würde ich mir für die Allgemeinheit wünschen.
Wie kann man eine Baumschutzsatzung etablieren?
Eine Baumschutzverordnung verbietet es, Bäume ab einem gewissen Stammumfang zu entfernen, zu zerstören, zu schädigen oder ihren Aufbau wesentlich zu verändern.
Verstößt man bei Baumfällungen bzw. Baumveränderungen gegen die Baumschutzsatzung, können je nach Schwere des Eingriffs von 50 EUR bis zu 50.000 EUR empfindliche Bußgelder ausgesprochen werden. Schafft man es, eine Baumschutzsatzung zu erlassen, werden Möglichkeiten zur Einflussnahme vor Ort geschaffen. Sowohl auf die Stadtökologie und die Stadtgestaltung kann hier Einfluss genommen werden, als auch auf die (Wohlfahrts-)Wirkungen die mit dem Erhalt von Grün einhergehen.
Doch wie erreicht man das?
Eine Baumschutzsatzung ist nur in der jeweiligen Ortschaft/Stadt gültig, in der sie beschlossen wurde.
Die Art und Ausgestaltung einer Baumschutzsatzung kann sehr verschieden sein, denn jede Stadt oder Gemeinde kann selber entscheiden, was sie darin festsetzen möchte.
Nur Fällungen, auch Ausgleichspflanzungen oder gar unsachgemäße Baumpflegemaßnahmen und drastische Eingriffe in den Wurzelraum die Bäume schädigen und so über kurz oder lang zum Absterben von Bäumen führen?
(Gerade die letzten beiden Punkte sollten aus sachverständiger Sicht unbedingt ergänzend Berücksichtigung finden.)
Zunächst ist jedoch nötig in einer Gemeinderatssitzung bzw. Stadtratssitzung (Bau- und Umweltausschuss) in einer Abstimmung eine Mehrheit dafür zu bekommen.
Dazu muss zunächst ein Antrag eingereicht werden.
Die jeweiligen Bestimmungen und Regelungen sind im jeweiligen Rathaus zu erfragen.
Hier kann es hilfreich sein, sich Unterstützung bei einer Partei zu suchen, die einer Etablierung einer Baumschutzsatzung nicht abgeneigt ist, um so die nötigen Regularien und Unterlagen korrekt vorzulegen. Am besten reichen Sie auch eine Musterbaumschutzsatzung mit ein, die im Vorfeld erarbeitet wurde.
Eine erste Vorlage stellt die GALK e.V. zur Verfügung (Link).
Rein über die Idee einer Baumschutzsatzung wird vermutlich in den meisten Fällen keine Mehrheit zu erreichen sein, weswegen ich nachfolgend auch einige Gründe nennen möchte, die bei der Vorstellung des Themas ins Feld geführt werden können.
Unsere Stadtbäume sind Schattenspender, Klimaanlage, Staubfilter, Lebensraum und Wohlfühlort in Einem und das gilt es zu belegen.
Argumente für eine Baumschutzsatzung
Wie eingangs bereits erwähnt, lässt sich der Mehrwert den Bäume generieren, nicht so einfach (v)ermitteln.
Ihre Luftfiltereigenschaften und ihr Einsatz als Mittel gegen Depressionen (Link) zum Beispiel sind Spartenwissen und wenig greifbar.
Wie will man hier also Aufklärung betreiben?
Ob Sie nachfolgende Fakten in eine emotionale Rede verpacken, oder das Ziel über Vitamin B suchen möchte ich ihrer individuellen Persönlichkeit überlassen.
Unumgänglich für die Etablierung einer Baumschutzsatzung werden Fakten sein.
Um diese werden Sie nicht herumkommen, wenn Sie die unterschiedlichen Interessenparteien überzeugen möchten und diese wissenschaftlichen Erkenntnisse möchte ich Ihnen im Nachfolgenden exemplarisch mit auf den Weg geben.
Klimaschutz, Naturschutz und allgemeine Wohlfahrtswirkung
- Stadtbäume tragen zu einer höheren Luftqualität bei (Filterung von Schadstoffen)
- Stadtbäume regulieren die Temperatur und sorgen für kühlere Temperaturen im Sommer (verbessern das Mikroklima)
- Stadtbäume reduzieren Windgeschwindigkeiten (Zunahme von Extremwetterereignissen im Zuge des Klimawandels)
- Stadtbäume mindern die Lärmbelastung
- Stadtbäume reduzieren den Regenwasserabfluss
- Stadtbäume wirken sich positiv auf den CO²-Haushalt aus (Ozonbelastung, Speicherung von Kohlenstoff)
- Stadtbäume beeinflussen psychologische und physiologische Erkrankungen positiv
Viele dieser Beispiele bieten Argumente im Zuge der Zunahme von Extremwetterereignissen, wie sie nicht nur für das Stadtklima prognostiziert werden: Hitzewellen, Trockenheit, Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen, Starkregen und die Zunahme von Stürmen stehen exemplarisch für die unterschiedlichen Ausprägungen, die der Klimawandel mit sich bringt.
- Auch die Zunahme von krankheitsfördernden Belastungen (Ozon- und Feinstaubbelastung, Zunahme psychischer Erkrankungen) rückt immer öfter in den öffentlichen Fokus, weswegen ein Bezug auf psychologische und physiologische Auswirkungen im Siedlungsraum unbedingt mit in der Argumentation enthalten sein sollte.
- Weitere Argumente die innerorts immer ein gewisses Konfliktpotential bieten, sind Grenzbäume im Nachbarschaftsrecht (z.B. Laubfall, überhängende Äste oder Abstände der Bäume zur Grundstücksgrenze).
Hier können Baumschutzsatzungen zur Schlichtung beitragen, indem einheitliche Vorgaben im Rathaus geschaffen werden.
- Last but auf keinen Fall least:
Stadtbäume spielen eine zentrale Rolle im Bereich des Arten- und Naturschutzes, nämlich als Lebensraumstätten.
Bei einem täglichen Flächenverbrauch von über 60 ha in Deutschland und keinerlei verbindlichen Vorgaben zu ökologischen Ausgleichsmaßnahmen und der Garantie auf Gelingen, ist aktuell ein starkes Ungleichgewicht im Naturhaushalt erkennbar, das es gilt zu steuern und hin zu einem nachhaltigen Prozess zu entwickeln.
Ähnlich wie beim Vorstoß einiger Bundesländer Schottergärten zu verbieten, kann eine Baumschutzsatzung dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhöhen und den Artenschwund aufzuhalten.
Warum brauchen wir in Deutschland eine Baumschutzsatzung?
In sehr wenigen Städten und Gemeinden Deutschlands wurde bisher eine Baumschutzsatzung etabliert.
Einer Untersuchung für z. B. Bayern zur Folge, haben von insgesamt 2056 Kommunen, nur 94 eine Baumschutzverordnung erlassen.
Das zeigt die fehlende Wertschätzung und das fehlende Bewusstsein für kommunales Grün auf drastische Weise.
Möchte man den Erhalt von Bäumen also gewährleisten bzw. stärker überwachen lassen, dann sind Baumschutzsatzungen DAS Instrument der Wahl um hier einen Wandel zu bewirken, denn ohne sie besteht kein rechtliches Mittel zu ihrem Schutz.
Verankert man zudem noch eine notwendige Qualität in der Baumpflege um unfachgerechte, baumzerstörende Kappungen zu verhindern (s. Bild oben) und erweitert dies um eine Einhaltung der Vorgaben zum Schutz von Bäumen auf Baustellen (RAS-LP4 und DIN18920) wäre viel erreicht. Denn großflächige Verletzungen in der Krone und vor allem an den Wurzeln, reduzieren das Alter eines Stadtbaumes teils dramatisch.
Alles wird jedoch mit der Überwachung einer Baumschutzsatzung stehen und fallen. Es muss also in den Behörden entsprechend geschultes Personal sitzen, das die Einhaltung im Blick behält.
Das Bewusstsein in der Bevölkerung und in den Verwaltungen Deutschlands sollte aus sachverständiger Sicht zwingend geschärft werden.
Bäume erfüllen so unfassbar wichtige Funktionen die uns Menschen zu Gute kommen, es wäre fatal nur mit (medienwirksamen) Neupflanzungen zu agieren.
Wir brauchen unsere Stadtbäume, denn bis ein Baum all die o.g. Leistungen in erhöhtem Maße erbringen kann, ist ein gewisses Alter von Nöten.
So wichtig Nachpflanzungen und Neupflanzungen mit Jungbäumen sind:
Es gilt unsere „alten“ Bäume zu erhalten!
Das wird mMn eine der wichtigsten Aufgaben zur Anpassung an die Klimaerwärmung im kommunalen und städtischen Raum.
In diesem Sinne:
Ich hoffe, der Artikel erreicht die richtigen Personen, Stellen und Institutionen…denn BAUMERHALT sollte endlich groß geschrieben werden, um uns das Grün in den Städten und Kommunen zu bewahren.
Über das Rege teilen des Artikels würde ich mich freuen.
Quellen: Hoffmann A, Gruehn D.: Bedeutung von Freiräumen und Grünflächen in deutschen Groß- und Mittelstädten für den Wert von Grundstücken und Immobilien, 2010 Sechster Sachstandsbericht „Climate Change“ (IPCC) Marselle, M.R., Bowler, D.E., Watzema, J. et al.: Urban street tree biodiversity and antidepressant prescriptions, 2020 Nowak&Crane: Carbon storage and sequestration by urban trees in the USA, 2002 Akbari et al.: Urban Heat Island: Causes, Effects and Mitigation Measures, 2005 Xiao et al.: A new approach to modeling tree rainfall interception, 2000 McPherson, E.G., J.R. Simpson, Q. Xiao, and C. Wu.: Million trees Los Angeles canopy cover and benefit assessment, 2011 Shashua-Bar & Hoffmann: Geometry and orientation aspects in passive cooling of canyon streets with trees, 2003 Cornelis J., Hermy M.: Biodiversity relationships in urban and suburban parks in Flanders, 2004 BUND: Baumschutzverordnungen in Bayern-Ergebnisse einer Kommunalbefragung zu Verbreitung, Ausgestaltung und Effektivität, 2019
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